April 12

6 comments

Warum mache ich das überhaupt?

By Claudia Hußmann

April 12, 2020

positive Verstärkung, warum

Warum mache ich das überhauptIn der heutigen Podcast-Episode geht es um mich. Ich beantworte heute keine Fragen zum Hund oder zur Hundeerziehung. Und doch geht es nicht nur um mich, sondern darum, warum ich das tue, was ich tue. Was mich antreibt und wie ich zum Hundetraining stehe. Neugierig? Dann bleib dran.

#HaltungRockt

Ich habe in diesem Jahr wieder bei der 28-Tage-Challenge von Anna Koschinski mitgemacht. Am Ende der Challenge hat sie zu einer Blog Parade eingeladen.

Hier geht’s lang zu Annas Blog-Parade mit dem Thema: Haltung, Werte und Wirkung im Business

Mein Warum!

Es geht darum, welchen Weg ich in meinem Business einschlage. Warum ich heute so bin wie ich bin. Wer bin ich überhaupt? Welche Werte habe ich? Worauf kommt es mir an?

Jetzt sitze ich hier vor dem weißen Blatt – was mir sonst nie passiert! Schreibe, lösche, weiß nicht, wie und wo anfangen.

Über mich zu schreiben oder sprechen, fällt mir viel schwerer als etwas zum Thema Hund zu schreiben. Jetzt verscheuche ich diese Gedanken einfach mal und schreibe drauf los.

Wie alles anfing

Hunde begleiten mich tatsächlich schon von Geburt an. Der erste war der Dackel Waldi von meinem Opa. Den hatte ich als Kind auch als Stoffausgabe.

Dann zog unsere Schäferhündin Tina ein. Sie wurde leider nicht so alt, weil sie einen Tumor hatte.

Mit 19 holte ich mir meinen ersten eigenen Hund aus dem Tierheim. Ein Schäferhund namens Muck. Er war wirklich eine Seele von Hund. Aber leider sehr schwer krank. Und so wurde er nur knapp 3 Jahre alt.

Dann kam eine lange hundelose Zeit. Mein Plan, nach dem Abitur Veterinärmedizin zu studieren, hatte sich angesichts meines Abi-Schnittes gleich erledigt.

Studium, Ausbildung, Vollzeitjob – da blieb keine Zeit für einen Hund. So stieg ich auf Katzen um. Und hatte viele Jahre immer Katzen aus dem Tierschutz.

Endlich wieder ein Hund

1997 veränderten sich meine Lebensumstände. Und es konnte endlich wieder ein Hund einziehen. Meine Schäferhündin Momo.

Sie stammte aus einer Kofferraum-Beschlagnahmung. 15 Hundewelpen und jede Menge Katzenwelpen landeten damals im Tierheim. Alle bei Sonne und ohne Wasser eingesperrt in einem Kofferraum. Zum Glück meldete ein aufmerksamer Passant das Fahrzeug, das auf einem Rasthaus-Parkplatz abgestellt war.

Zu meiner Momo gesellte sich ein halbes Jahr später noch ein Mischlingswelpe aus dem Tierheim von einem Ups-Wurf.

Mit dem Einzug der Hunde beschäftigte ich mich natürlich auch mit deren Erziehung. Ich besuchte Hundeschulen. Und ich war auf dem Schäferhunde-Platz. Naja, auf letzterem nicht wirklich. Da wurde mir schon beim Zuschauen schlecht.

Alle Hunde trugen Stachel-  oder sogar Stromhalsbänder. Das war zuviel für mich.

In der Hundeschule mussten nur die „schweren“ Fälle Stachelhalsband tragen. Bei den anderen reichten Kettenwürger. Ähm ja, genau.

Fragen

Warum eigentlich soll ich meinen Hund würgen?

Geht das nicht auch anders?

Warum soll ich meinen Hund mit einem fürchterlichen Ruck ins Platz bringen?

Gibt doch sicher auch andere Möglichkeiten?

Warum soll ich warten, bis mein Hund voll in der Leine hängt und ihn dann „korrigieren“? Der weiß doch gar nicht, was ich von ihm will!

Muss doch auch anders machbar sein, oder?

Fragen über Fragen. Die mir in der Hundeschule keiner beantwortete. Die auch gar nicht gerne gehört wurden.

Und so fing alles an.

Meine Bauchschmerzen mit all diesen Methoden sorgten dafür, dass ich nach anderen Wegen Ausschau hielt.

Lösung in Sicht

Als ich zum ersten Mal etwas von Clickertraining las, war ich total fasziniert. Aber so richtig vorstellen konnte ich mir das noch nicht. Es war extrem schwierig, an Infos zu kommen. Ich saugte alles auf, was ich irgendwo finden konnte. Bestellte sogar Bücher aus den USA über den Buchladen meines Vertrauens.

Meine Hunde mussten für Experimente herhalten. Was sie übrigens gerne taten. Sie hatten es schneller drauf als ich. Jedenfalls im Nachhinein betrachtet. So richtig funktioniert hat es dann aber auch nicht. Ich wusste einfach nicht so richtig, was ich tat. Und ich musste lernen, wirklich umdenken.

Bisher lag der Fokus in den Hundeschulen immer auf dem unerwünschten Verhalten.

  • Wie gewöhne ich das Leinezerren ab?
  • Wie gewöhne ich das Anspringen ab?
  • Wie gewöhne ich meinem Hund das Abhauen ab?
  • Wie gewöhne ich ihm das Jagen ab?

Umdenken gefragt

Und jetzt auf einmal war gefragt, was der Hund tun soll!

Das mag ja in einer Trainingsstunde noch ganz gut funktionieren. Aber im Alltag und andauernd? Wie soll das gehen?

Damals habe ich Birgit Laser eingeladen. Sie hatte ihr Buch zum Clickertraining gerade veröffentlicht. Ich habe sie einfach angerufen und gesagt: Du musst kommen. Wir müssen einen Clicker-Workshop machen.

Und sie kam tatsächlich. Ich weiß noch, wie wir abends nach Workshop-Ende auf dem Hof draußen saßen. Und ich so gar nicht kapieren wollte, dass ich meine Momo jetzt andauernd belohnen soll. Anstatt zu warten, bis sie zum Zaun läuft und kläfft. Und dann zu korrigieren. Schon vorher belohnen. Solange sie noch ruhig ist.

Diese Art des Trainings in den Alltag zu bringen, war tatsächlich eine Herausforderung für mich. Ich hatte ja bis dahin etwas ganz anderes gelernt. Aber mit der Zeit und vielen weiteren Workshops und Fortbildungen dämmerte mir: Es ist nicht der Clicker. Der ist nur ein technisches Hilfsmittel.

Es ist MEINE EIGENE Einstellung.

Es ist der Fokus auf das, was ich haben möchte. Training mit positiver Verstärkung.

Mein ganzes Leben hat sich verändert

Das hat nicht nur das Training mit Hunden verändert. Sondern mein ganzes Leben!

Wo andere sehen, was nicht klappt, sehe ich das Positive. Ich muss nicht mehr darüber nachdenken, darauf zu achten, dass meine Hunde etwas toll machen. Ich sehe es einfach.

Da, wo andere immer nur überlegen, wie sie etwas „abstellen“, habe ich das Problem gar nicht. Ich habe schon die Aktion davor wahrgenommen und belohnt. So entstand das Problem erst gar nicht. Denn vor jedem unerwünschten Verhalten gibt es ein erwünschtes Verhalten.

Es ist ein Weg. Ein sehr schöner Weg. Den ich immer noch gerne gehe. Und von dem ich zu hundert Prozent überzeugt bin.

Nie hatte ich Hunde, die mir mehr vertraut haben. Die immer fröhlich und mit Freude mitmachen. Mit denen ich eine so unglaublich innige und tiefe Beziehung aufgebaut habe.

Ich stehe voll dahinter

Dafür und dahinter stehe ich. Training mit positiver Verstärkung. Manchmal sagen mir Kunden: „Ich finde deine Methode so klasse.“

Das freut mich natürlich. Es ist aber keine Methode. Ich nutze „einfach“ die Lerngesetze. Mal ganz einfach ausgedrückt besagen sie, dass Strafe dazu führt, dass ein Verhalten seltener wird. Belohnung (= positive Verstärkung) führt dazu, dass ein Verhalten häufiger gezeigt wird.

Letzteres ist mein Weg. Das Schöne daran ist, dass ich ganz viele Möglichkeiten habe. Und ja, das funktioniert bei jedem Hund. Übrigens auch bei Katzen, Meerschweinchen, Ziegen, Pferden und anderen Lebewesen.

Ich bin kein Fan von antiautoritärer Erziehung. Das Training mit positiver Verstärkung wird leider allzu gerne damit verwechselt. Es macht aber keinen Sinn, einen Hund in unserer Gesellschaft einfach das tun zu lassen, was ihm gerade einfällt. Dann wird er vermutlich nicht sehr alt, weil er überfahren, beim Jagen erschossen wird oder im Leben nicht klar kommt, weil er den Ansprüchen unserer Gesellschaft nicht genügt.

Wir erwarten viel von unseren Hunden

In unserer Gesellschaft wird viel von unseren Hunden erwartet. Sie sollen mit Umweltreizen aller Art klar kommen, mit jedem Menschen, sich unauffällig benehmen und am besten alles mitmachen, was uns in den Sinn kommt. Und unsere Hunde meistern das ganz grandios. Tatsächlich staune ich oft, wie problemlos sie alles mitmachen. Da sind wir Menschen weitaus komplizierter.

Zu meinem Weg gehört, dass ich Verantwortung übernehme für das Lebewesen, das ich zu mir geholt habe. Ihm ein sicheres Zuhause biete. Dafür sorge, dass es einen sicheren Ruheplatz, genug zu essen hat, die notwendige Körperpflege durchgeführt und bei Bedarf medizinisch versorgt wird. Aber auch, dass seine Bedürfnisse nach Bewegung und Beschäftigung befriedigt werden.

Ein völlig verfilztes Fell, das dem Tier nicht mal ermöglicht vernünftig zu scheißen, geschweige denn zu laufen, ist schlicht und ergreifend tierschutzrelevant. Und ich habe das leider mehr als einmal gesehen.

Wir tragen Verantwortung für unsere Hunde

Dazu gehört auch, dass es sich beim Training wohlfühlt. Dass ich die Erziehung so gestalte, dass das Tier verstehen kann, was ich von ihm möchte und gerne mitmacht. Ein Tier, das aus Angst nichts mehr macht, ist für mich keine Option.

Ich nehme meine Hunde an die Pfote. Sie wissen, dass sie mir vertrauen können. Sie wissen, dass ich sie beschütze.

Tatsächlich sehe ich meine Hunde als meine Familie, meine besten Freunde und genauso behandle ich sie auch. Nicht im Sinne von vermenschlichen. Aber von dem, was ich tue und wie ich mit ihnen umgehe.

Seit ich mich 1998 auf diesen Weg gemacht habe, hat sich mein Leben sehr verändert. Für mich zum Positiven. Ich staune immer, wenn ich andauernd von unangenehmen Begegnungen lese, blöden Radfahrern oder Hunden, die einfach angerast kommen.

Klar, passiert hier auch mal. Aber wirklich extrem selten. Und hey, ist uns nicht allen schon mal so etwas oder etwas ähnliches passiert?

Stattdessen begegne ich Menschen, die einen Bogen mit ihrem Hund machen. Radfahrern, die mir Komplimente machen, weil die Hunde so toll hören. Joggern, die sich bedanken, weil die Hunde sich bei ihren Anblick zu mir orientieren. Spaziergängern, die stehenbleiben und sagen: „Sind das alles ihre? Die gehorchen aber gut!“

Darüber freue ich mich. Das ist das, was ich „behalte“. Ich bin dankbarer. Ich habe mehr Lebensfreude. Ich sehe überall das Positive. Mir geht es dadurch viel besser als früher. Und die Beziehung zu meinen Hunden ist viel tiefer geworden.

Und nein, das ging nicht von einen auf den anderen Tag. Und nein – ich bin nicht jeden Tag gut drauf. Es gibt immer noch Dinge, über die ich mich aufrege. Aber ich arbeite daran. Ich bin weiter auf meinem Weg. Und lerne dazu. Gerne, mit Freude und jeden Tag.

Es ist schwer zu erklären. Man kann es einfach besser fühlen. Ich bin jedenfalls dankbar, dass ich diesen Weg beschreiten durfte und immer noch weiter gehen darf.

Was mir sonst noch wichtig ist

Freiheit

Ja, ich möchte mich gerne frei bewegen können, wann und wohin ich möchte. Ich liebe es, die Freiheit zu haben, das zu tun, was ich tue. Und es so zu tun, wie ich es tue.  Ich möchte meine Meinung frei sagen dürfen – ohne Zensur und ohne von meinen Mitmenschen attackiert zu werden. Womit wir beim nächsten Thema sind:

Toleranz

Toleranz gegenüber Mitmenschen – auch solchen, die anders sind. Toleranz gegenüber anders Denkenden. Die Meinungen anderer anzuhören und zu respektieren. Und manchmal auch die eigene Meinung zu revidieren. Man muss sich nicht immer einig werden. Aber es gibt eben nicht nur die eine Wahrheit, die im eigenen Kopf ist.

Grenzen

Was ich nicht toleriere und auch nicht respektiere: Wenn andere – Schwächere – durch Taten oder Gedanken zu Schaden kommen oder Schmerzen erleiden müssen. Da hört zumindest meine Toleranz auf. Auch in Sachen Hundeerziehung und Umgang mit dem Hund.

Und hier kommt dann auch der Bogen zum Thema Hundeerziehung, Hundeschule und meinem Warum.

Mein Warum

Mir macht es total viel Spaß, mein Wissen und meine Erfahrungen weiterzugeben. Wenn jemand genauso Bauchschmerzen dabei hat wie ich, wenn er etwas mit seinem Welpen/Hund machen soll, was ihm nicht behagt, unterstütze ich ihn gerne. Zeige ihm, wie es anders geht. So, dass sich alle damit wohlfühlen.

Denn ganz oft ist es so, dass Menschen aus Verzweiflung solche Methoden anwenden. Obwohl sie Bauchschmerzen dabei haben. Einfach, weil sie keinen anderen Weg kennen.  Und weil ein Experte dazu geraten hat. Der muss es schließlich wissen. Nein, der kennt nur eben auch (noch) nichts anderes. Und weiß es nicht besser.

Genau für solche Menschen bin ich da. Denn es gibt ganz viele verschiedene Möglichkeiten, wie man mit positiver Verstärkung ans Ziel kommen kann.

Der schwierigste Schritt ist tatsächlich das eigene Umdenken. Weg vom „Wie kann ich abgewöhnen..“ hin zum „Was möchte ich haben. Was soll mein Hund tun!“

Gerne begleite ich dich und deinen Hund auf diesem Weg.

Am Ende möchte ich mich nochmals ganz herzlich bei Anna Koschinski für diese tolle Blog-Parade, für die mir der Beitrag so schwer gefallen ist, ganz herzlich bedanken.

Claudia

Claudia Hußmann

About the author

You might also like

Leave a Repl​​​​​y

Your email address will not be published. Required fields are marked

  1. Liebe Claudia,
    danke für diesen Blog Beitrag! Du sprichst mir so aus dem Herzen! Mein Weg zum Hund und mit dem HUnd war ähnlich dem Deinen. Auch ich habe gedacht, dass Leinenrucken und Schläge etc. einfach nicht richtig sein können- Auch ich habe nach Alternativen gesucht und über Nina Miodragovic, Birgit Niewöhner und auch Birgit Laser zum Clicken gefunden und mich intensiv mit den Lerngesetzen von Hunden beschäftigt. Vieles weiß ich sicher noch nicht, aber eins weiß ich sicher: mit positiver Verstärkung, Konsequenz und Vertrauen in seinen Hund erzieht man sich einen Begleiter fürs Leben, der einem vertraut und mit inniger Zuneigung zu einem steht!!!!

    Herzliche Grüße
    Margarete

  2. Liebe Claudia,

    danke für diesen großartigen Text! Ich erkenne dich in jedem Satz (die Mühe hat sich also gelohnt)… Ich glaube, es ist genau so wie du es beschreibst: Wir verhalten uns, wie es unsere Haltung vorgibt. Menschen gegenüber, aber auch Tieren und Dingen gegenüber.

    Und ich liebe deine Worte zum Thema Denken und „andere sehen“. Erwünschtes Verhalten sehen, statt unerwünschtes verurteilen und bestrafen. Gerade jetzt, wo viele nur noch sich selbst sehen, wo es um’s Funktionieren geht. Gerade jetzt möchte ich diese Menschen um mich haben, die andere sehen und einfach da sind.

    Ganz toller Absatz, den ich sofort unterschreiben möchte: „Wo andere sehen, was nicht klappt, sehe ich das Positive. Ich muss nicht mehr darüber nachdenken, darauf zu achten, dass meine Hunde etwas toll machen. Ich sehe es einfach.“

    Danke, dass du so bist. Bei uns weiß ich jetzt auch noch besser, warum das Matching funktioniert hat 🙂

    Liebe Grüße
    Anna

    1. Ui, vielen Dank für deine lieben Worte. Ich glaube, jetzt bin ich ein bisschen rot geworden.

      Herzliche Grüße
      Claudia

  3. Liebe Claudia,
    wie Astrid Lindgren schon so schön sagte:“ Man kann in die Tiere nichts hineinprügeln, aber viel herausstreicheln“. Toller Podcast von dir, der sehr liebevoll beschreibt, wie schön positives Training oder generell der respektvolle und freundschaftliche Umgang mit unseren Familienmitgliedern Hund sein kann.

    liebe Grüße
    Tanja

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Never miss a good story!

 Subscribe to our newsletter to keep up with the latest trends!