Oktober 27

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Gina muss weg

By Claudia Hußmann

Oktober 27, 2020

geschichten, gewalt, positive Verstärkung

Gina muss wegDie Geschichte, die ich dir heute erzählen möchte, habe ich wirklich erlebt.

Wichtige Info noch gleich vorweg: Inzwischen habe ich keine Hundepension mehr. Nach 20 Jahren wollte auch ich mal ein Wochenende und ein paar Feiertage genießen können.

Alle Namen wurden geändert. Eventuelle Ähnlichkeiten sind Zufall.

Gina muss weg

Ein neuer Pensionsgast war in der Hundepension angemeldet. Das ist immer spannend. Wie würde er sich ins Rudel integrieren?

In meiner Pension wurden die Hunde nicht einzeln in einen Zwinger gesperrt, sondern in sogenannter „Rudelhaltung“ gehalten. Sie durften sich alle gemeinsam frei bewegen. Es war genug Platz und das klappte ziemlich gut.

Die Tür öffnete sich, eine junge sympathische Frau stieg aus dem Auto. Wir begrüßten uns und erledigten den Papierkram.

„Dann holen sie ihn mal raus.“ sagte ich.

Sie öffnete den Kofferraum. Ich schaute in die rehbraunen Augen einer sehr hübschen Golden Retriever Hündin. Gina lautete ihr ebenso hübscher Name.

Sie hatte es ziemlich eilig, aus dem Kofferraum zu kommen und freute sich – wie man das von Retrievern meist kennt – mich zu sehen.

Warum ein Stachelhalsband?

Stachelhalsband verboten„Warum hat der Hund ein Stachelhalsband? Haben Sie auch ein anderes dabei? Oder ein Geschirr?“ fragte ich Frau Müller.

Frau Müller antwortete: „Die Hundeschule hat gesagt, dass Gina das braucht. Sonst funktioniert das mit dem Laufen an der Leine überhaupt nicht. Sie zerrt wie eine Bekloppte. Aber ohne Leine kann man sie auch nicht laufen lassen. Dann haut sie ab. Überhaupt, sie ist ziemlich aufmüpfig. Und will uns die ganze Zeit austesten. Sie macht auch alles kaputt und klaut wie ein Rabe.“

Ich versuchte, Frau Müllers Redeschwall zu unterbrechen.

„Wie alt ist Gina nochmal?“

Ich hatte das Geburtsdatum auf dem Vertrag eben nur flüchtig überflogen. Das Gina noch sehr jung war, hatte ich gesehen.

Die stand übrigens die ganze Zeit schwanzwedelnd und freudig bei uns und benahm sich sehr gut. Das bemerkte Frau Müller aber nicht.

„Sieben Monate ist sie jetzt. Bis sie fünf Monate war, ging es noch, aber seit wir im Junghundekurs sind, klappt es nicht mehr. Sie kriegt ja auch immer mehr Kraft. Ich kann sie dann kaum noch halten. Wir haben ja auch noch zwei kleine Kinder. Die rennt sie einfach um oder klaut denen das Essen aus der Hand.“

Erneut unterbrach ich Frau Müller.

„Okay, bei mir sind Stachelhalsbänder verboten und ich brauche sie auch nicht. Auch kein Hund, der sich bei mir aufhält. Haben Sie denn ein normales Halsband dabei?“

„Nein, ich habe nur das Stachelhalsband. Die in der Hundeschule haben gesagt, ich soll unbedingt…“ setzte Frau Müller an.

„Moment, ich hole mal schnell ein Halsband. Ich habe genug Halsbänder, da finden wir ein passendes. Das Stachelhalsband nehmen Sie einfach wieder mit nach Hause.“

„Ja, aber die Hundeschule hat doch gesagt…“ kam es etwas verwirrt und zögerlich.

Da war ich aber schon weg und holte ein paar Halsbänder. Schnell war ein passendes für die süße Gina gefunden. Frau Müller packte ihr Stachelhalsband weg und mir ging es viel besser.

Gina ist gleich voll integriert

Dann durfte Gina endlich zu den anderen Hunden. Darauf hatte sie gewartet. Mir war gleich klar, dass es mit ihr keine Probleme geben würde. Weder mit den anderen Hunden noch im Alltag mit mir.

Nachdem Frau Müller gesehen hatte, wie toll sich ihre Gina im Rudel integrierte und wie viel Spaß sie hatte, verabschiedete sie sich. Sie hatte ein bisschen Bedenken, aber jetzt war sie erleichtert und konnte beruhigt in den Urlaub fliegen.

Den Flug hatten sie schon vor einem Jahr gebucht, als noch gar kein Hund geplant war. Sie hatte schon ein schlechtes Gewissen gehabt und überlegt, den ganzen Urlaub zu stornieren. Da spielte allerdings der Rest der Familie nicht mit. Gina war jetzt in guten Händen. Da war sich Frau Müller sicher.

Gina ist ein toller HundSo ein toller Hund

Gina benahm sich völlig normal. Wie ein junger Goldie sich eben benimmt. Ja, sie klaute. Nach einem Tag brachte sie die Sachen zu mir anstatt sie in der Gegend zu verteilen. Retriever apportieren eben häufig von Haus aus gerne. Das kann man doch zu seinem Vorteil nutzen.

Das Laufen an lockerer Leine war mit ein paar Leckerli innerhalb kürzester Zeit kein Thema und dass der Rückruf nicht funktionierte – keine Ahnung – war vielleicht ein anderer Hund. Gina liebte es, zu mir zu rasen, wenn ich sie rief. Wusste sie doch, dass es dann viele Hundekekse gab.

Eine wirklich tolle Hündin. Es tat mir fast ein bisschen leid, als die drei Wochen Aufenthalt vorbei waren und Frau Müller mit ihrem Kombi vorfuhr. Braungebrannt und gut erholt sah sie aus. Aber auch ein bisschen besorgt.

„Das war bestimmt schwierig mit Gina, oder? Hat sie viel Ärger gemacht?“

„Frau Müller. Sie haben so ziemlich den nettesten Hund der Welt, den man sich vorstellen kann. Sie ist lernwillig und kooperativ. Ich kann Ihnen nur raten, wechseln Sie die Hundeschule.“

„Sie sind ja zu weit weg. So weit kann ich nicht jedes Mal fahren.“ unterbrach mich Frau Müller.

„Ich kann Ihnen eine Hundeschule in ihrer Nähe empfehlen, Frau Müller. Ich lege Ihnen wirklich ans Herz, in die jetzige mehr zu gehen. Das schadet mehr als es nutzt.“

„Ja, aber wir haben jetzt gerade den nächsten Kurs bezahlt. Und erst eine von den acht Stunden in Anspruch genommen. Dann haben wir ja eine Menge Geld verschenkt.“ wand Frau Müller ein.

Zumindest zum Nachdenken hatte ich Frau Müller gebracht, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie weiter in die „Hau-Ruck-Hundeschule“ gehen würde. Weil sie ja bezahlt war. Gegen das Wohl des Hundes. Traurig schaute ich dem Auto hinterher.

Gina wehrt sich

Nur zwei Wochen später klingelte das Telefon.

„Gina muss weg. Sofort. Noch heute. Sie hat meinen Mann gebissen und er will sie nicht mehr im Haus haben.“

Eine völlig aufgelöste und schluchzende Frau Müller am anderen Ende der Leitung.

Gina hat gebissen? Das kann nicht sein. Ich habe diesen Hund kennengelernt und konnte es mir beim besten Willen nicht vorstellen. Was musste da vorgefallen sein?

„Ganz ruhig, Frau Müller. Erzählen Sie erst mal, was passiert ist. Ist Ihr Mann schwer verletzt oder hat sie nur geschnappt?“

Oft erzählen mir nämlich Menschen, der Hund habe gebissen und sie wurden gar nicht gebissen.

„Mein Mann war mit Gina in der Hundeschule. Dann war sie wieder so bockig und stur und wollte gar nicht Fuß laufen. Dann hat sie Herr V. genommen, einmal zur Ordnung gerufen und dann lief sie bei dem wohl wie am Schnürchen. Dann hat er das meinem Mann nochmal gezeigt, wie er das machen muss. Dann hat mein Mann Gina genommen und hat dasselbe gemacht wie Herr V. und dann hat Gina sich umgedreht und ihm in den Arm gebissen. Richtig fest in den Arm gebissen. Und jetzt muss sie weg. Er will sie nicht mehr sehen. Sie ist gefährlich, sagt er.“

Oha, ich kenne den Hundetrainer Herrn V., weil ich schon das Vergnügen hatte, ihm beim Training zuzusehen. Mir war klar, dass Gina bei ihm gekuscht hat.

Und mir war auch klar, dass Gina nicht gefährlich war. Sie hat nur auf den Schmerz reagiert. Am Ende stellte sich heraus, dass sie nur einmal zugebissen hat. Da Sommer war, hatte Herr Müller nur ein T-Shirt an und seine Arme waren ungeschützt. Die Löcher waren nicht sehr tief und mussten auch nicht weiter behandelt werden.

Aber Gina hatte leider kein Zuhause mehr. Frau Müller hatte bereits mit dem Tierheim vor Ort gesprochen und die würden Gina aufnehmen. Verständlicherweise wollte Frau Müller ihre Gina aber nur ungern ins Tierheim geben.

„Können Sie Gina nicht nehmen?“

„Leider nicht. Es ist noch Ferienzeit und ich bin voll belegt. Privat kann ich sie nicht nehmen. Ich habe schon vier Hunde.“

„Aber vielleicht wenigstens, bis sie ein neues Zuhause hat.“ bettelte Frau Müller.

„Frau Müller, ich verstehe, wie schwer es Ihnen fällt, Gina ins Tierheim zu geben. Aber sie hat dort die besten Vermittlungschancen und da sie so jung ist, wird sie ganz schnell ein neues Zuhause bekommen. Ich bin ganz sicher. Ich kenne das Tierheim an ihrem Ort. Ich habe von dort selbst schon Tiere übernommen. Geben Sie Gina dort ab und vertrauen Sie darauf, dass sie ganz schnell und gut vermittelt wird.“

Ich war mir absolut sicher, dass Gina dort nur wenige Tage verbringen und ganz schnell ein neues Zuhause finden würde.

Happy End

Genau das ist passiert. Nach nur 14 Tagen zog Gina in ihre neue Familie, die überglücklich mit ihr waren.

Sie gingen in eine Hundeschule, in der verständnisvoll und nett mit den Hunden gearbeitet wurde und es gab überhaupt keine Probleme.

Fazit

Auch, wenn die meisten Hunde es mit sich machen lassen, gibt es uns nicht das Recht, Hunde mit Zwang und Gewalt zum Gehorsam zu bringen.

Geht es nach hinten los, ist immer der Hund schuld. Wieder ein Hund mehr im Tierheim. In diesem Fall ist es gut ausgegangen und Gina hat schnell ein tolles neues Zuhause gefunden.

Handelt es sich nicht um einen so jungen Hund und eine so beliebte Rasse, bekommen solche Hunde ganz schnell einen Stempel „gefährlich“ aufgedrückt und sitzen für Jahre – manchmal lebenslänglich – im Tierheim. Oder werden einfach eingeschläfert.

Es funktioniert so wunderbar mit positiver Verstärkung. Positiv verstärken bedeutet nicht, dass du deinen Hund antiautoritär erziehen sollst. Natürlich soll er sich am Ende so benehmen, dass er ein angenehmer Begleiter ist. Dazu braucht es auf keinen Fall und bei keiner Rasse Gewalt.

Am besten startest du schon mit dem Welpen, dann hast du es am leichtesten. Mit meinem Traumhund-Generator stehe ich dir dabei tatkräftig zur Seite.

Auch, wenn dein Hund schon älter ist, funktioniert das noch. Schau dir einfach mal meine Online-Angebote an. Dort findest du zu ganz vielen Themen Kurse mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen und wichtigem Hintergrundwissen.

Und wenn du individuelle Unterstützung brauchst, schau dir an, wie ich dich ganz intensiv betreuen kann.

Ich wünsche dir immer ganz viel Spaß mit deinem Hund und deinem Hund einen fairen Umgang.

Claudia

„Gewalt fängt da an, wo Wissen aufhört!“

Claudia Hußmann

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